Mittlerweile bin ich schon zwei Monate wieder in Deutschland. Kurz vor Weihnachten habe ich meine Zelte in Ruanda abgebrochen. Dann kam zuerst mal dieses Weihnachten und dann auch gleich der Jahreswechsel. Was aber nicht kam war der Kulturschock, genauer der Reverse-Kulturschock, bei der Rückkehr aus einer anderen Kultur in die gewohnte Eigene.
Ich hatte nie ein komisches Gefühl, von wegen „wo bin ich denn hier gelandet“. Ich hatte bis auf wenige Ausnahmen auch nie das Gefühl, sofort wieder nach Ruanda zu müssen, damit es mir gut geht. Natürlich hatte ich den einen oder anderen Hänger, natürlich ging es mir nicht immer gut, aber an der unterschiedlichen Kultur lag es nicht. Ich habe mich über die Verpackung von Gemüse im Supermarkt gewundert und fand es komisch, dass Tomaten hier nach nichts, aber auch gar nichts, schmecken. Ich muss mich immer mal wieder beherrschen hier nicht auf den Boden zu spucken und wundere über welche Lappalien und Unwichtigkeiten die Menschen hier teilweise sprechen. Aber das sind keine Dinge, die mir vorher nicht auch schon aufgefallen wären, nichts Neues, nur etwas was mir in den letzten beiden Jahren eben nicht auffallen konnte, da ich ja nicht hier war.
Ich habe dieses Nicht-Kulturschock-Gefühl in den letzten Wochen mit mehreren Menschen besprochen. Ich glaube nun zu wissen wo der Reverse-Kulturschock abgeblieben ist.
1. Kommunikation
Während der ganze zwei Jahre war ich nie völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Ich hatte immer die Möglichkeit mit Menschen in Deutschland zu kommunizieren. In Nkumba via Mail und Blog, in Kigali zusätzlich via Skype und Livestream. Ich habe zum Beispiel die Proteste rund um Stuttgart 21 und die Bundespräsidentenwahl live im Netz gesehen, habe Blogs und Zeitungsmeldungen zu Lenas Triumpf beim Song Contest gelesen und mich immer wieder mit Dominik per Skype zur Bundesliga Spieltaganalyse verabredet.
In gewisser Weise kann man also sagen, dass ich dadurch mit der Kultur und auch der Kulturveränderung Schritt gehalten habe. Ich bin, zumindest punktuell, also nicht auf dem Stand von Anfang 2009. Die Zeit die ich für die Kontakte nach Deutschland aufgebracht habe ist gegen Ende eher noch mehr geworden.
2. Kultur
Die letzten zehn Monate meines Aufenthalts in Ruanda habe ich von den Grundzügen ein europäisches Leben geführt. Ich habe in einer WG gewohnt in der deutsch gesprochen wurde, war jeden Tag in einem Büro in welchem ich an einem Schreibtisch arbeitete und traf mich mit meinen Kollegen zum Meeting. Abends traf ich mich mit Freunden zum Kochen, feierte in Bars und spielte am Sonntagnachmittag Volleyball. Natürlich war ich auch auf dem Markt, fuhr mit dem Überlandbus nach Ruhengeri oder Gisenyi, aber den Großteil der Aktivitäten hätte ich genau so auch in Deutschland haben können.
Von dem her gesehen, war der Umzug von der Schule in Nkumba und meinem dortigen Leben mit Kohlenkocher, kalter Dusche und meinen ruandischen Kollegen als einzige Bezugspersonen vor Ort nach Kigali der größere Schritt in Sachen kultureller Übergang.
3. Zwischendurch Besuche
Ein weiterer Punkt war sicherlich, dass ich im Februar 2010 und im Juli 2010 für einige Tage in Deutschland war. Waren es auch nur wenige Tage, so ist dieser kurze Einblick eine Erinnerung an mein voriges Leben in Deutschland. Trinken auf der Straße, Einkaufen im Supermarkt, ICE fahren. Das sind eingespielte Mechanismen die sofort wieder reaktiviert werden können.
4. Alltag
Abschließend spielt sicherlich auch der Fakt eine Rolle, dass ich derzeit hier keinen Alltag habe. Ich bin viel unterwegs und treffe mich mit Menschen. Ich war drei Wochen in Deutschland und Schottland unterwegs. Arbeite sporadisch an neuen Projekten, ohne das jedoch örtlich oder zeitliche gebunden zu tun. Vielleicht kommt ja der große Kulturschock wenn ich mal einen festen und geregelten Alltag habe. Aber wer weiß.
Vielleicht kommt er aber auch nicht. Vielleicht ist das ganze Konzept des Reverse-Kulturschocks durch die moderne Kommunikation auch hinfällig. Wenn Menschen nicht mehr ein Jahr oder länger ohne regelmäßigen oder direkten Austausch in einer anderen Kultur unterwegs sind, dann entfernen sie sich vielleicht nicht mehr so von ihrer gewohnten Kultur. Wenn Informationen aus alles Teilen der Welt überall verfügbar sind, dann geht ein wiedereingewöhnen in die Kultur vielleicht einfacher.
Damit geht aber auch die Gefahr einher, dass man sich nicht mehr so stark auf die andere Kultur einlassen muss und dadurch vielleicht den bequemeren Weg der partiellen Adaption anderer Kulturen geht.
Mich würde interessieren was ihr dazu meint und welche Erfahrungen andere Rückkehrer gemacht haben.
Kann das Konzept des Reverse-Kulturschocks durch moderne Kommunikation überholt sein?
Dank Anne hier noch ein bisschen Literatur zum Thema:
« Ruandas unkritischer Pressereferent – Handelsblatt: Machtvolle Modernisierung »
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also ich hatte einen leichten Kulturschock bekommen, als ich nach 1 Jahr Irland wieder nach hause gekommen bin. Allerdings wars weniger ein „Kultur“Schock als mehr ein „Mentalitäts“Schock. Die Leute in Irland denken und handeln einfach ganz anders als in Deutschland. Während hier in D alles so korrekt abläuft, alles seine genauen Regeln und Vorsätze hat, ist in Irland die Devise „es wird schon irgendwie funktionieren!“ und ich mag diese Mentalität, weil’s funktioniert!
Ich glaub auch, dass es durch die moderne Kommunikation einfacher ist, keinen Reverse-Kulturschock zu bekommen. Ich hatte in IRland auch die Möglichkeit mich immer wieder über meine Heimat zu informieren und naja, Irland ist bei weitem nicht so weit weg wie Ruanda 😉
Liebe Grüße aus Wissädal und danke nochmal fürs Küchewischen 😉
Wiebke
Comment: Wiebke – 15. Februar 2011 @ 18:23
Ich selber hatte auch nie einen wirklichen Kulturschock nach meiner Rückkehr aus Namibia. Es gibt schon immer wieder Situationen, in denen man sich mal ein bisschen mehr namibische Gelassenheit oder Herzlichkeit von den Menschen hier wünscht, aber alles in allem hab ich mich eigentlich sehr schnell wieder in Deutschland wohl gefühlt und das blieb auch so.
Witzig ist, dass ich bei meinem zweiten Besuch in Namibia ein Jahr nach der Rückkehr vom Freiwilligendienst dort gemerkt hab, dass ich Dinge wieder befremdlich finde, an die ich mich in der Zeit meines Freiwilligendiensts dort eigentlich schon komplett gewöhnt hatte. Das zum zweiten Mal dran Gewöhnen ging allerdings deutlich schneller als beim ersten Mal. Noch witziger ist, dass Laurens, ein namibischer Freund, beim Bummeln durch Windhoek während meines zweiten Besuchs zu mir gesagt hat: „Now you’re walking like a Namibian. Last year you didn’t.“ Ich musste anscheinend erst nach Deutschland zurückkommen um ein echter Namibier zu werden 😉
Comment: Evi – 15. Februar 2011 @ 20:17
Comment: claudia – 05. April 2011 @ 09:54
es steht hier nicht explizit drin, warum ich meinen Aufenthalt beendet habe, weil es sehr profan ist: Mein Vertrag ist ausgelaufen. Also nichts spezielles, sondern einfach der Weg der Dinge.
Gruß
rapha
Comment: rapha – 05. April 2011 @ 14:48
Comment: Ariane – 26. Juni 2015 @ 20:35